von Katrin Henneberg & Katarina Werneburg
Hoch oben in den majestätischen Rocky Mountains, wo die Berggipfel den Himmel zu berühren scheinen und die Wildnis in all ihrer Pracht erstrahlt, haben vier Leipziger Forscher:innen ein ehrgeiziges Abenteuer unternommen. Die Meteorolog:innen waren mit einer großen Messkampagne Teil des internationalen Forschungsunternehmens SAIL, ein gewaltiges Feldexperiment, bei dem fast zwei Jahre lang interdisziplinäre Messungen zum Wasserkreislauf durchgeführt wurden.
In diesem inspirierenden wissenschaftlichen Setting, inmitten einer überwältigenden Landschaft und vor der atemberaubenden Kulisse des 3.850 Meter hohen Gothic Mountain schlugen die Meteorolog:innen ein neues Kapitel in der Geschichte der Schneeforschung auf. Denn mit ihren in dieser Fülle und Komplexität bislang nicht vorhandenen Messergebnissen konnten sie tief in die Geheimnisse des Schnees und seiner Entstehung eintauchen.
Ein Wissenschaftler:innen-Quartett vom Institut für Meteorologie der Universität Leipzig erforscht im SAIL-Teilprojekt CORSIPP die orographisch beeinflusste Bereifung von Schneekristall-Teilchen, die damit verbundene sekundäre Eisproduktion und deren Auswirkungen auf Niederschlagsraten.
Gebirge sind die natürlichen Wasserspeicher unserer Erde und spielen eine Schlüsselrolle im weltweiten Wasserhaushalt. In ihrer komplexen rauen Landschaft sind Land und Atmosphäre eng gekoppelt und interagieren auf unterschiedliche Weise miteinander.
Die Anzahl atmosphärischer und hydrologischer Messungen in Gebirgsumgebungen war bislang begrenzt. Dementsprechend konnten zentrale Prozesse des Wasserkreislaufs nur unzureichend erklärt werden.
Die interdisziplinäre SAIL-Kampagne und das daran beteiligte CORSIPP-Projekt haben riesige verwertbare Datenmengen gesammelt, um die zentralen Prozesse des Wasserkreislaufs abbilden und beschreiben zu können und bislang unzureichende Computermodelle damit zu verbessern.
Wenn Schneefall entsteht, sind häufig folgende Mechanismen aktiv:
Die sekundäre Eisbildung setzt sich dann in Gang, wenn während der Bereifung Eiskristallfragmente abbrechen und daraus neue Schneepartikel entstehen.
Wissenschaftler:innen konnten die komplexen Vorgänge während der Schneefallbildung in Wetter- und Klimamodellen bisher nicht genau abbilden.
Um die Datenlage deutlich zu verbessern, hat das Forschungsteam auf eine Kombination moderner Technologien gesetzt:
Meter über NN
Am Fuß des 3.850 Meter hohen Gothic Mountains, umgeben von einer malerischen Landschaft liegt auf 2.891 Höhenmetern das gleichnamige Dorf Gothic. Schneebedeckte Gipfel, tiefe Schluchten und dichte Wälder prägen die beeindruckende Orographie der Bergwelt. Im Jahr 1879 als Minenstadt zur Förderung von Silber errichtet, dient das abgeschiedene Örtchen mit einer überschaubaren Zahl einfacher Blockhütten heute vor allem der Forschung.
An allen Hängen und im Tal rund um Gothic verteilt waren die meteorologischen und hydrologischen Messtationen der SAIL-Kampagne aufgebaut.
Ihr Wolkenradar "LIMRad94" und die beiden Schneefallkameras haben die Meteorolog:innen längst schon wieder am Leipziger Institut ausgepackt.
Die erhobenen Daten beider Messinstrumente zu kombinieren, ist nun ihre Aufgabe und sehr vielversprechend für neue Erkenntnisse.
Zusätzlich haben zweimal täglich und immer zur selben Zeit Radiosondenaufstiege an einem Ballon stattgefunden. Sie wurden vom Atmospheric Radiation Measurement (ARM) user facility durchgeführt.
Mit Kraft dicke lange Schrauben lösen, geduldig unzählige Kabel abstecken und jedes einzelne Teil transportsicher verpacken ... Das Abbauen der Messgeräte erforderte von den Wissenschaftler:innen echte Handarbeit, hier und da Millimeterarbeit und manchmal sogar Schwerstarbeit.
Der Südwesten der USA, in dem auch die Rocky Mountains gelegen sind, leidet seit einigen Jahren unter starkem Wassermangel. Die Ergebnisse der CORSIPP-Messkampagne liefern ein wesentliches Puzzleteil für das Verständnis des gesamten Wasserkreislaufs der Region.
Im nächsten Schritt werden neue, von den Meteorolog:innen selbstprogrammierte Auswertungs- und Visualisierungsalgorithmen eine entscheidende Rolle spielen, um die Entstehung von Schneefall – und generell Niederschlägen – im Detail zu durchdringen. Das wird letztlich auch präzisere Niederschlagsvorhersagen ermöglichen.
Der Erkenntnisgewinn der Leipziger Forscher:innen profitiert auch von den übrigen Messungen der SAIL-Kampagne, bei denen eine breite Palette an Fernerkundungsinstrumenten zum Einsatz kam. All diese Daten kombiniert mit den Messergebnissen der Leipziger Meteorolog:innen macht den finalen Datensatz besonders umfassend und wertvoll – und zum ersten Glied einer langen Forschungskette.
Schneeflocken haben die Leipziger Meteorolog:innen beobachtet.
Redaktion: Stabsstelle Universitätskommunikation Katrin Henneberg (Text/Layout und Gestaltung) Dr. Katarina Werneburg (Schnitt/Layout und Gestaltung) E-Mail-Kontakt: presse@uni-leipzig.de
Die Foto- und Videoaufnahmen vor Ort wurden von den Wissenschaftler:innen des Leipziger Instituts für Meteorologie erstellt. E-Mail-Kontakte: heike.kalesse@uni-leipzig.de; maximilian.maahn@uni-leipzig.de
Datum der Veröffentlichung: 01.12.2023